In diesem Jahr durfte ich zum ersten Mal als Wertungsrichterin bei der Deutschen Meisterschaft für Orientalischen Tanz mitwirken – eine Aufgabe, die mich gleichermaßen geehrt und herausgefordert hat. Obwohl ich seit vielen Jahren auf und hinter der Bühne stehe, ist die Perspektive einer Jurorin eine ganz andere. Plötzlich betrachtet man jede Darbietung nicht nur mit dem Herzen, sondern auch mit einem analytischen Blick, der zahlreiche Aspekte gleichzeitig im Auge behalten muss.
Als Zuschauerin lasse ich mich normalerweise von der Musik, der Atmosphäre und der Energie der Tänzerinnen tragen. Doch am Jurytisch geht es darum, genau hinzusehen – und das über viele Stunden hinweg. Technik, Choreografie, Ausdruck, Musikalität, Bühnenpräsenz und Kostümgestaltung spielen alle eine Rolle und müssen in ein stimmiges Gesamtbild gebracht werden. Diese Gleichzeitigkeit der Eindrücke erfordert ein hohes Maß an Konzentration und Professionalität.

Besonders spannend war für mich, wie sehr sich die Wahrnehmung verändert, wenn man aktiv bewertet. Jede Bewegung bekommt plötzlich ein anderes Gewicht, und man achtet auf Details, die man sonst vielleicht übersehen würde. Gleichzeitig bleibt die Begeisterung für den Tanz natürlich bestehen, nur richtet sich der Blick stärker auf das, was die Qualität einer Performance wirklich ausmacht.
Während der Wettbewerbstage machen wir Juror:innen zu jeder Performance Notizen. Diese dienen nicht nur der Bewertung, sondern vor allem dem anschließenden Feedbackprozess: Nach der Meisterschaft haben die Teilnehmerinnen die Möglichkeit, einen individuellen Telefontermin zu vereinbaren, um ihre Rückmeldung zu erhalten. Ich finde dieses Konzept ausgesprochen wertvoll, weil es den sportlichen Wettkampf mit einem echten Lernmoment verbindet. So entsteht aus der Meisterschaft nicht nur ein spannender Wettbewerb, sondern auch ein Raum für Weiterentwicklung und professionelles Wachstum.
Rückblickend war dieses Wochenende für mich eine sehr bereichernde Erfahrung. Ich habe beeindruckende Tänzerinnen gesehen, kreative Choreografien erlebt und gespürt, wie viel Leidenschaft und Disziplin in jedem Auftritt steckt. Es war inspirierend zu sehen, wie vielfältig die orientalische Tanzszene in Deutschland ist – und wie viel Professionalität und Herzblut in der Organisation und Durchführung einer solchen Meisterschaft stecken.
Ich bin dankbar, dass ich Teil dieses großartigen Events sein durfte, und freue mich schon darauf, meine neuen Eindrücke auch in meine eigene Arbeit als Lehrende einfließen zu lassen. Der Blick von der Juryseite hat mir einmal mehr gezeigt, wie vielschichtig unser Tanz ist und wie lohnend es ist, sich immer wieder neuen Perspektiven zu öffnen.


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